Ein gesetzlich verankertes Wohnrecht für hinterbliebene Ehepartner
Feldkirch (VN) „Was passiert eigentlich, wenn mein Ehepartner - dem die Wohnung oder das Haus ,gehört’ - stirbt? Darf ich in meiner gewohnten Umgebung bleiben oder muss ich Angst haben, dass mich die Miterben ,vor die Türe setzen’?“ Mit solchen Fragen sind Rechtsbeistände in der täglichen Beratungspraxis häufig konfrontiert.
„Das österreichische Erbrecht gibt mit einer eigens geschaffenen Rechtsfigur dem überlebenden Ehegatten eine Sicherheit“, kann Dr. Richard Forster beruhigen. Der Gesetzgeber hat eine klare Regelung vorgegeben, die der Notar aus Feldkirch so erklärt: „Seit 1991 kommt dem hinterbliebenen Gatten hinsichtlich der ,Ehewohnung’ - darunter ist sowohl eine Wohnung als auch ein Haus zu verstehen - ein ,gesetzliches Vorausvermächtnis’ zu.“
Der „Voraus“ verschafft dem jeweils überlebenden Ehepartner erbrechtlich eine besondere Position. So hat man durch das gesetzliche Vorausvermächtnis im Voraus - also zusätzlich zum Erbrecht und vorrangig vor den Pflichtteils-, Unterhalts- und Vermächtnisansprüchen der Übrigen - Anspruch auf die Sachen des ehelichen Haushaltes, soweit diese zur Fortführung der bisherigen Lebensverhältnisse erforderlich sind, und überdies das Recht, in der ,Ehewohnung’ im gewohnten Umfang weiter zu wohnen. Dr. Richard Forster: “Überlebende Ehegatten sollen das ,Dach über dem Kopf’ behalten und dadurch die Möglichkeit haben, weiter in derselben Umgebung zu leben.“
Mit-Eigentum
Voraussetzung für das Anrecht auf das „gesetzliche Wohnrecht“ ist, dass sich die Wohnung oder das Haus zum Zeitpunkt des Ablebens des erstversterbenden Ehegatten noch in dessen (Mit-)Eigentum befand. „Das ‚gesetzliche Wohnrecht’ gebührt hinterbliebenen Ehepartnern zusätzlich zu ihrem gesetzlichen bzw. testamentarischen Erbrecht, also auch dann, wenn der oder die Betroffene gar nicht als Erbe berufen ist. Außerdem gilt es unabhängig von einem konkreten Bedarf, somit grundsätzlich auch dann, wenn eine eigene (komplett eingerichtete) Wohnung vorhanden ist“, erläutert der Notar die Details. Der „Voraus“ kann nur entzogen werden, wenn Enterbungsgründe gesetzt wurden und geht auch durch eine spätere Wiederverehelichung nicht unter.
Expertenrat in Zweifelsfragen
Das „gesetzliche Wohnrecht“ auf Lebenszeit ist unentgeltlich, lediglich für die anfallenden Betriebskosten muss man aufkommen. „Zu beachten ist indes, dass ein Pflichtteils- bzw. Erbverzicht, den ein Ehegatte dem anderen gegenüber abgibt, im Regelfall auch das gesetzliche Vorausvermächtnis, mithin das Wohnrecht, beseitigt“, macht der Notar deutlich und ergänzt: „Ein - nicht zu unterschätzendes - Manko dieser gesetzlichen Einrichtung besteht leider darin, dass der überlebende Ehegatte keinen Anspruch darauf hat, dass dieses Wohnrecht im Grundbuch sichergestellt wird.“
Wie eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofes belegt, birgt dieser Aspekt eine nicht unwesentliche Gefahr für den Bestand sowie die Sicherheit des Wohnrechtes, insbesondere in einem Zwangsversteigerungsverfahren. „Im Einvernehmen ist nach gängiger Praxis eine grundbücherliche Sicherstellung jedoch möglich. Darauf wird der zum Gerichtskommissär eingesetzte Notar bei der Abwicklung der Erbschaftsverhandlung auch hinweisen“, bekräftigt Dr. Richard Forster. Nachdem sich beim gesetzlichen Vorausvermächtnis in der Praxis immer wieder Zweifelsfragen ergeben, empfiehlt der Notar „im Sinne einer zielführenden Gesamtlösung für alle Beteiligten“ in jedem Fall die rechtzeitige Beratung durch einen erfahrenen Rechtsexperten.
Pflichtteils- oder Erbverzicht beseitigt im Zweifel das gesetzliche Vorausvermächtnis.
Quelle: "Vorarlberger Nachrichten" Nr. 206 vom 04.09.2004 Autor: Dr. Richard Forster, Notar Hans Günter Pellert (red. Bearbeitung)
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