Kredite in Krisen: "Das neue Gesetz ist ein Hammer" Das neue Eigenkapitalersatz-Gesetz macht Kredite an Unternehmen in der Krise noch riskanter als bisher. Ein Seminar mit der "Presse" zeigte auf, warum. WIEN (kom). "Das neue Eigenkapitalersatz-Gesetz ist ein Hammer, und zwar im negativen, nicht im positiven Sinn." Rechtsanwalt Johannes Reich-Rohrwig sieht ab nächstem Jahr schwere Zeiten auf Teilhaber von Kapitalgesellschaften zukommen, die ihrem Unternehmen in der Krise mit einem Kredit oder einer Bürgschaft unter die Arme greifen wollen. Denn zum Jahreswechsel tritt das neue Eigenkapitalersatz-Gesetz in Kraft. Es macht, wie ein vom Weiterbildungszentrum der WU in Zusammenarbeit mit der "Presse" veranstaltetes Seminar gezeigt hat, so manche Zuwendung an marode Gesellschaften noch riskanter, als sie ohnehin schon ist. Rückzahlung verboten Der Grundgedanke des von der deutschen Judikatur entwickelten, von den österreichischen Gerichten übernommenen und nun erstmals in Gesetzesform gegossenen Eigenkapitalersatz-Rechts: Wer einer Gesellschaft, an der er beteiligt ist, einen Kredit gewährt, anstatt wirtschaftlich nötiges Eigenkapital zuzuführen, soll sein unternehmerisches Risiko nicht auf die Gesamtheit der Gläubiger abwälzen. Deshalb werden solche Kredite rechtlich wie Eigenkapital behandelt: Solange die Krise andauert, dürfen die Kredite nicht zurückgezahlt werden, im Konkursfall steht der Gesellschafter im Rang anderen Gläubigern nach. Wurde ein eigenkapitalersetzender Kredit trotz Krise zurückgezahlt, hat die Gesellschaft - oder der Masseverwalter - einen Anspruch auf Rückerstattung, und zwar, wie Reich-Rohrwigs Kanzleikollegin Daniela Karollus-Bruner betont, nicht nur des Kapitals, sondern auch der Zinsen. Einem Gesellschafter, der das Darlehen vor der Pleite an sich selbst auszahlt, droht überdies eine strafrechtliche Verurteilung wegen betrügerischer Krida - eines Delikts, das bei einem Schaden über 40.000 Euro mit bis zu zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist und daher in aller Regel zu einer unbedingten Haftstrafe führt, warnt Reich-Rohrwig. Auf gefährlichem Boden bewegen sich ab 2004 auch Gesellschafter, die für Kredite ihres Unternehmens Sicherheiten bieten, seien diese persönliche (Bürgschaft, Garantie, Patronatserklärung) oder dingliche (Pfand, Hypotheken). In diesen Fällen hat der besicherte Gläubiger einen direkten Anspruch gegen den Gesellschafter, ohne zuvor gegen die Gesellschaft vorgehen zu müssen. "Das gibt ein böses Erwachen", warnt Reich-Rohrwig. Nach seiner Erfahrung arbeiten sehr viele GmbHs mit gesellschafterverbürgten Krediten, und sehr viele von ihnen sind auch "permanent in der Krise". Das Gesetz legt allerdings - und insoweit bringt es gegenüber der Judikatur eine gewisse Milderung - einen Mindestanteil von 25 Prozent an der maroden Gesellschaft fest, um die Folgen des Eigenkapitalersatz-Rechts spielen zu lassen. Wer weniger Anteile hat, braucht die verschärfte Haftung nur dann zu fürchten, wenn er die Gesellschaft "kontrolliert" (etwa durch das Recht, die Mehrheit im Leitungs- oder Aufsichtsorgan zu bestellen oder abzuberufen) oder beherrschenden Einfluss auf sie hat. "Das ist auch der faktische Geschäftsführer, der die Geschicke der Gesellschaft lenkt", so Reich-Rohrwig. Im Interesse der Banken werden bestimmte, für sie typische Beteiligungen nicht berücksichtigt: etwa im Rahmen des Beteiligungs- und des Investmentfondsgesetzes oder des Pensionskassengesetzes. Zur Feststellung der Krise gibt es jetzt genaue Kennzahlen: Sie liegt vor, wenn die Eigenmittelquote laut letzter Bilanz weniger als acht Prozent und die fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre betragen. Vor allem die Acht-Prozent-Grenze öffnet die Möglichkeit zu bilanziellen Abwehrstrategien gegen den Eigenkapitalersatz: So könnte ein Gesellschafter bei einem größeren Kapitalbedarf nur den zum Überschreiten dieser Marke nötigen Teil als (von ihm selbst durch Kredit aufgenommenes) Eigenkapital zuführen, für den Rest aber eine Bürgschaft zu einem Bankkredit der Gesellschaft eingehen. Diese Sicherheit würde dann nicht dem neuen Gesetz unterliegen, erläutert Reich-Rohrwig. Quelle: "Die Presse" vom 15.12.2003, S. 14
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