Karriere-Rechtstipp Ein untrügliches Zeichen dafür, dass man es mit einem Juristen zu tun hat, ist die Antwort: "Es kommt darauf an." Und wenn wir an den Obersten Gerichtshof (OGH) die Frage richten, was es denn so mit dem Letter of Intent auf sich habe, und die Antwort bekommen "Es kommt darauf an", dann können wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass es am OGH von Juristen nur so wimmelt. Allerdings von guten Juristen, und daher begnügen sie sich nicht mit dieser viel sagenden Antwort, sondern erklären uns die Sache noch ein bisschen näher. Im konkreten Fall mussten sie sich dem Thema allerdings auf Umwegen nähern. Die Sache beginnt tragisch. Ein deutscher Autofahrer kommt infolge Übermüdung mit seinem Fahrzeug auf die linke Fahrbahnseite und sttößt frontal mit jenem des Herrn F. zusammen, der dabei schwerste Verletzungen erleidet und nur knapp mit dem Leben davon kommt. Neben Schmerzengeld fordert er auch entgangenen Gewinn ein. Gewinn, den er bei der Verwertung seiner Erfindung, eines Raumteilungssystems, gemacht hätte. Für dieses System hatte er Patente in Kanada, den USA und Deutschland erlangt, deren Verwertung unmittelbar bevorstand. In der Tat: Das Gericht konnte feststellen, dass er eineinhalb Jahre in Verhandlung mit einem Unternehmen stand, mit dem er schließlich einen Letter of Intent (LOI) unterzeichnete, in welchem der Abschluss eines Lizenzvertrags binnen sechs Wochen in Aussicht gestellt wurde. Aufgrund dieser Absichtserklärung erhielt er sogar einen Vorschuss von 25.000 Kanadischen Dollar. Auf Basis dieses LOI wurde nun ein Vertragsentwurf erstellt, der bis auf Vertragsbeginn und -dauer alle wesentlichen Vertragsbestandteile enthielt. Allerdings verpflichtete sich Herr F. in diesem Vertrag, dem Lizenznehmer persönlich zur Verfügung zu stehen. Diese Verpflichtung konnte er nun nicht einlösen, daher sei es auch gar nicht erst zu definitivem Vertragsabschluss gekommen, wodurch ihm ein Gewinn von (damals) zehn Millionen Schilling entgangen sei. Die Sache scheint klar, trug doch der Unfallgegner erwiesenermaßen die Alleinschuld. Allerdings unterscheidet unser Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) zwischen leichter Fahrlässigkeit, bei der man nur für den so genannten positiven Schaden, also den wirklich entstandenen, unmittelbar greifbaren Schaden haftet, und grober Fahrlässigkeit sowie Vorsatz. Nur in letzteren Fällen wird auch für den entgangenen Gewinn gehaftet. Und Übermüdung am Steuer qualifizierten die Gerichte originellerweise nur als leichte Fahrlässigkeit - kann ja schließlich jedem einmal passieren, oder? Daher stellt sich die Frage: Geht es hier um entgangenen Gewinn oder bereits schon um wirklichen, greifbaren Schaden? Welche Rechtsposition vermittelte der LOI dem Herrn F.? Einigung und Bindungswille. Es kommt darauf an, sagte der OGH. Nämlich darauf, ob von den Vertragsparteien bereits bestimmte Leistungen erbracht wurden, und ob eine Einigung über alle wesentlichen Punkte und Bindungswille der Parteien vorgelegen sei. Denn grundsätzlich ist ein LOI nur ein erster Schritt im Verlauf eines geplanten Vertragsabschlusses, der den bisherigen Abschnitt der Vertragsverhandlungen beenden, das bisher gemeinsam Erreichte festhalten und von den noch offenen und zu klärenden Aspekten abgrenzen soll. Grundsätzlich ist der LOI daher keine vertragserzeugende Erklärung, sondern "enthält die Vermutung dafür, dass kein bindendes Angebot bezüglich des intentierten Hauptvertrags vorliegt". Es sei denn, die Parteien sind eben doch schon einen Schritt weitergegangen. Und das zu klären, trug der OGH in unserem Fall den Untergerichten auf. Aus der bloßen Bezeichnung als LOI geht daher noch nicht sicher hervor, was die Parteien damit wollen, das sollte sicherheitshalber klargestellt werden: Will man sich nun in irgendwelchen Punkten schon binden oder nicht? Im Zweifel wird kein Bindungswille angenommen! Häufiger Bestandteil eines LOI sind Geheimhaltungsverpflichtungen. Diese sind nur so gut wie ihre Sanktionen, weshalb sich die Vereinbarung von (sinnvollerweise: verschuldensunabhängigen) Konventionalstrafen empfiehlt. Auch diese sind wiederum nur so gut wie ihre Durchsetzungsmöglichkeit, weshalb derjenige gut beraten ist, der sein heimisches Recht und seinen heimischen Gerichtsstand in den LOI hineinreklamieren kann. Ein LOI ist grundsätzlich formfrei. Soll er aber bereits die Wirkung eines Vorvertrags haben, so muss er in der Form jenem Hauptvertrag entsprechen, der letztlich beabsichtigt wird. Sollen also beispielsweise in Zukunft GmbH-Anteile übertragen werden, so muss schon der LOI die Form eines Notariatsakts haben. Autor: Dr. Thomas Höhne, Rechtsanwalt Quelle: trend 10/2004
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